15.09.2021

Dürres Laub als Lebensraum

Wo wir hinschauen, sehen wir im Herbst abgefallene Blätter oder andere Pflanzenreste liegen. Manchmal sind es einzelne Blätter, manchmal weht der Wind ganze Haufen zusammen. Wenn wir etwas später das dürre Material auseinander ziehen und darunter schauen, erschrecken wir gelegentlich kleine Tiere wie Würmer, Schnecken oder Asseln.

Lebenselexier Wasser

Eine ganze Menge verschiedener Klein- und Kleinsttiere nutzen herumliegende Pflanzenreste als Lebensraum. Vorausgesetzt, es ist feucht. Wasser ist das wichtigste Lebenselexier, aber auch Garant dafür, dass Umwandlungsprozesse in Gang kommen. Wer also Gras oder Laub aufbewahren möchte, muss es vor Feuchtigkeit schützen. Lösliche Stoffe wie Zucker und Eiweisse können innert Stunden physikalisch ausgewaschen werden. Um diesen Verlust zu vermeiden, macht der Bauer übrigens Silage.

Wenn wir im Frühling nachsehen, was aus den Haufen vom Herbst geworden ist, bemerken wir, dass an manchen Stellen fast nichts mehr übrig ist, während es an anderen Stellen kaum verändert daliegt. Buchenlaub beispielsweise kann jahrelang liegen bleiben; die harten und gerbstoffreichen Blätter können nur von wenigen Organismen aufgeknackt werden. Erlenblätter oder Gräser werden hingegen bereits nach wenigen Wochen zerfressen. Am schnellsten verläuft die Umwandlung auf feuchtem und warmem Boden oder im Kompost. Dort wartet ein ganzes Heer von verschiedenen Organismen darauf, sich an der Umwandlung von organischer Substanz in Nährstoffe zu beteiligen.

Fleissige Zersetzer

Die Zersetzung von Blättern ist ein komplexer Prozess, welcher auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen kann, abhängig vom Standort, dem Material, den vorhandenen Organismen und der Witterung. Häufig sind zuerst die Zerkleinerer am Werk, welche Teile der Pflanzenreste in kleine Stücke aufbrechen und vorverdauen. Dazu zählen etwa Asseln, Schnecken, Springschwänze und Regenwürmer. Schnecken vermögen mit ihrer Raspelzunge grosse Mengen weicher organischer Substanz vorzuverdauen. Regenwürmer sind darauf spezialisiert, Pflanzenreste und mineralisches Material zusammen mit Bakterien und Pilzen zu Krümel zu formen. Die feinste Durchmischung dieser Komponenten erlaubt eine besonders effektive Mineralisierung der Pflanzenreste. Dabei werden organische Reststoffe durch Pilze und Bakterien chemisch umgewandelt. Das Ergebnis sind stabile Bodenpartikel, in denen pflanzenverfügbare Nährstoffe eingelagert sind. Im Kompost kann diese Umwandlung innert weniger Monate erfolgen, während sie im Gebirge oder auf trockenen Standorten Jahre dauert. Der Abbau von Holz dauert Jahre bis Jahrzehnte.

Fressen und gefressen werden

Unter dem Laub finden wir aber nicht nur die fleissigen Zersetzer. Wo es was zu fressen gibt, sind auch die Fresser rasch zu Stelle. Auffällig mögen Laufkäfer, Spitzmäuse oder Molche sein, welche sich von Kleintieren aller Art ernähren. Nicht weniger effektiv sind Raubmilben, Steinbeisser oder Fadenwürmer.

So kann sich unter einem Grasbüschel oder einigen Laubblättern in kurzer Zeit ein kleiner Kosmos von Organismen ansammeln, welche in enger und ständig sich wandelnder Beziehung an der wundersamen Verwandlung von Pflanzen in Nährstoffe und Erde beteiligt sind. Das wissen auch Vögel, Amseln zum Beispiel, die unter Pflanzenresten nach Kleintieren stöbern. Dabei zerstören sie jeweils eine kleine Lebensgemeinschaft, beschleunigen aber gleichzeitig den Abbauprozess, indem sie das lose Material umschichten.

Zuviel des Guten

Wenn Laub und Gras lange Zeit liegen bleibt, deutet das auf einen gestörten Abbauprozess hin. Wenn etwa Schilf oder Laub zu einem meterhohen Hügel aufgehäuft wird, geht der organische Abbauprozess über in eine bakterielle Gärung. Dabei entweichen Gase wie CO2 oder Stickstoffverbindungen. So gehen Nährstoffe für natürliche Prozesse verloren und mit ihnen die Lebensgrundlage für biologische Vielfalt. Ähnliches geschieht, wenn Äste zu grossen Haufen geschichtet werden. Mitten auf einer Wiese, auf dem Kiesplatz oder auf trockenem Gelände verläuft die Umwandlung aus Mangel an Wasser und den notwendigen Tieren sehr langsam.

Natürliche Vielfalt fördern wir, indem wir abgestorbenes Pflanzenmaterial auf vielfältige Weise den natürlichen Prozessen überlassen. Das Gegenteil erreichen wir, wenn wir damit grosse Haufen schichten oder das Material vor Feuchtigkeit schützen.

Zum Weiterlesen:

  • www.ahabc.de/bodenentwicklung/vorgaenge-und-reaktionen/zersetzung