2.02.2024

Amphibienkrise in der Schweiz ist nicht klimabedingt

Zahlreiche Studien zeigen weltweit auf, dass Amphibien unter veränderten Klimabedingungen leiden und sich nur beschränkt anpassen können. In tropischen Zonen können bereits geringfügige Temperaturveränderungen kritische Auswirkungen auf das Leben der Amphibien haben. In gemässigten Zonen können Temperaturerhöhungen dagegen auch positive Auswirkungen haben.

Der kritische Punkt ist überall die Verfügbarkeit von Wasser in der Qualität, an die sich Amphibien über Jahrtausende hinweg angepasst haben.

Schlechte Karten für Schweizer Amphibien

Allgemein bekannt ist die Bedeutung von Kleingewässern für die Vermehrung von Amphibien. Dabei haben sich Amphibien auf sehr unterschiedliche Formen von Gewässern spezialisiert. Weniger geläufig ist die Anforderung von Amphibien an Feuchtigkeit im Landlebensraum. Aufgrund ihrer durchlässigen Haut sind Amphibien darauf angewiesen, ständig genügend Feuchtigkeit aus der unmittelbaren Umgebung aufnehmen zu können, auch wenn sich dieser Feuchtigkeitsbedarf zwischen den Arten erheblich unterscheidet.

Wenn wir in der Schweiz nach Gebieten mit hoher Dichte von Amphibien und grossen Tierpopulationen suchen, gelangen wir in die grossen Flusstäler mit oberflächennahem Grundwasser und Auenwäldern oder in grosse Feuchtgebiete und Wälder mit feuchtem Boden. Einzelne Arten wie die Geburtshelferkröte kommen mit sehr kleinräumig feuchten Bedingungen zurecht. Andere wie die Kreuzkröte oder die Erdkröte können sich dank geringerem Feuchtigkeitsbedarf kurzzeitig in trockenem Boden aufhalten und geeignete Lebensräume weiträumig aufsuchen.

Klimawandel machts noch schlimmer

Die Klimamodelle für die Schweiz sagen erhöhte Niederschläge bei milden Temperaturen im Winter und ausgesprochene Dürrezeiten im Sommer voraus. Für Amphibien ist das doppelt schlecht. Milde und feuchte Winter verschlechtern die Gesundheit und die Kondition der Amphibien. Ergebnis ist eine höhere Mortalität im Winter. Trockene Sommer haben weitreichende Auswirkungen auf Amphibien. So reduziert sich in austrocknenden Gewässern das Vermehrungspotenzial. Wenn Jungtiere über trockenen oder gar besonnten Boden wandern müssen, kann der grösste Teil der Jungtiere innert kurzer Zeit sterben. Weil Amphibien während Trocken- und Hitzeperioden zu einer Trockenruhe gezwungen sind, können sie nicht genügend Nahrung aufnehmen. Alles in Allem ist als Folge der klimatischen Veränderungen mit einem weiteren Rückgang von Amphibien zu rechnen, den wir überdies kaum beeinflussen können.

Das grosse Aussterben ist bei uns längst vorbei

Im Laufe der vergangenen 100 Jahre haben sich die Lebensbedingungen für Amphibien in der Schweiz grundlegend verändert. Als Folge der grossräumigen Flusskorrektionen und Trockenlegungen ist der Feuchtigkeitsgehalt und die Speicherfähigkeit der Landschaft auf einen kleinen Bruchteil geschrumpft. Ebenso sind die unterschiedlichen und vielfach dynamischen Laichgewässer überwiegend verschwunden. Darin liegt die Ursache für den ersten grossen Zusammenbruch der Amphibienpopulationen in der Schweiz.

Die hauptsächliche Zerstörung der Amphibienlebensräume erfolgte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Berichte über Amphibienvorkommen bis in die 1950er Jahre deuten darauf hin, dass der grosse Zusammenbruch der Amphibienbestände vielerorts nach dem Zweiten Weltkrieg, teils wohl als direkte Folge der Anbauschlacht – erfolgte. Danach ist der Rückgang auf tiefem Niveau weiter gegangen.

Wenn bis in die 1950er Jahre im Rheintal noch Jahr für Jahr Zehntausende Frösche zur Verpflegung eingesammelt und getötet wurden, wo wir sie heute im Dutzend zählen, zeigt uns das die Dimension des Zusammenbruchs. Oder wenn in Degersheim bis in die 1950er juvenile Kröten in grossen Tonnen zusammengewischt und vernichtet wurden, ohne dass danach der Bestand namhaft zurückgegangen wäre, während heute nur noch ein kleiner Abklatsch davon zu sehen ist: Das grosse Aussterben der Amphibien in der Schweiz ist längst vorbei.

Wenn wir es heute als Erfolg feiern, irgendwo das letzte Dutzend Amphibien vor dem weiteren Rückgang zu bewahren, tun wir gut daran, die grossen Tiermassen im Referenzzustand vor den Flusskorrektionen und Trockenlegungen in Erinnerung zu rufen. Die Zerstörung der naturgemäss funktionierenden Ökosysteme liegt in der Schweiz weit zurück. Und wir leben gegenwärtig gut damit, dass Ökosystemleistungen verloren gegangen sind und unsere Lebensmittelproduktion auf dem irreversiblen Landschaftsverschleiss basiert. Vor diesem Hintergrund nehmen sich die voraussehbaren Verluste von Amphibien durch den Klimawandel bescheiden aus.

Klimawandel ist Nebensache

Die laufenden klimatischen Veränderungen werden aller Voraussicht nach dazu führen, dass manche Landschaften für Amphibien noch ungünstiger werden als heute. Das Erlöschen von Reliktvorkommen dürfte unausweichlich sein.

Aber Hand aufs Herz: Wie viel macht es aus, wenn wir noch ein weiteres Prozent von Amphibien verlieren, während das zurückliegende Aussterben der 90% ohne weitreichende Folgen geblieben ist?

Wenn wir etwas gegen das Aussterben der Amphibien in der Schweiz unternehmen wollen, müssen wir jetzt Wasser in die Landschaft zurück bringen und die kompromisslose Maximierung des landwirtschaftlichen Ertrags auf degradierten Böden stoppen. Das würde uns allen zugute kommen. Klimawandel hin oder her.

Zum Weiterlesen

  • Alves-Ferreira G, et al. (2022): Unraveling global impacts of climate change on amphibians distributions: A life-history and biogeographic-based approach. – Front. Ecol. Evol. 10:987237. doi.org/10.3389/fevo.2022.987237
  • Araujo, M.B. et al. 2006: Climate warming and the decline of amphibians and reptiles in Europe. – Journal of Biogeography 33, 1712–1728.
  • Steigerwald, E. (2021): Impacts of climate change on Amphibians. – AmphibiaWeb. 22 S. https://amphibiaweb.org/declines/climatechange.html