1.03.2023

Genügt es, viele Arten bestimmen zu können?

Landauf landab werden Kurse und Exkursionen angeboten, um Vögel, Pflanzen, Insekten oder Amphibien kennen und bestimmen zu lernen. Damit sollen die Wertschätzung für Biodiversität sowie Kompetenzen für deren Schutz gefördert werden. Während die Wertschätzung durch intensive Beschäftigung mit freilebenden Organismen zweifellos gestärkt wird, führt das Engagement zum Schutz von Arten basierend auf Artenkenntnis allein in die Sackgasse.

Die Krise in der erfolgreichen Biodiversitätsförderung ist nicht im Mangel an engagierten Menschen mit Kenntnis populärer Arten begründet. Selbst wenn genügend Fachkräfte da wären, um die unübersehbare Fülle von Arten zu bestimmen, wäre damit allein nichts gewonnen für die Erhaltung dieser Fülle. Auch die Summe all dieser individuellen Wertschätzungen wäre kaum hilfreich bei der Verbesserung der Bedingungen für die Biodiversität.

Wenn wir die globalen Erfolgsgeschichten der Biodiversitätsförderung bzw. des Ökosystemaufbaus der jüngeren Vergangenheit betrachten, fällt auf, dass es nie um Artenschutz geht. Vielmehr geht es darum, Bedingungen zu schaffen, damit komplexe ökologische Prozesse in Gang kommen. Dafür braucht es nicht Artenkenntnis sondern Kenntnis über komplexe ökologische Zusammenhänge.

Wenn der Biodiversitätsschutz in der Schweiz aus dem Abwärtstrend nicht herausfindet, hängt es vielleicht auch damit zusammen, dass zuviel Artenkenntnis statt Ökosystemkenntnis im Spiel ist. Gerne werden lange Artenlisten erstellt und als Erfolgsbeweis gefeiert. Ein Blick auf deren Ökosystemrelevanz oder funktionaler Zusammenhänge würde die Erfolge bescheidener aussehen lassen. Wie wärs mit etwas mehr Ökologie anstelle von Taxonomie in der Naturschutzpraxis? Vielleicht wäre auch ein Blick über Grenzen hinweg nützlich.

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