15.06.2021

Natur macht gesund

Wir haben es wohl alle schon erlebt, dass ein Spaziergang im Wald die Laune aufhellt und die Gedanken befreit. Auf unwiderstehliche Weise werden dabei alle unsere Sinne angeregt. Das hängt mit den Ursprüngen der menschlichen Natur zusammen.

Therapieraum Wald

Bei einer aufmerksamen Tätigkeit in der Natur wird Serotonin ausgeschüttet, ein stimmungsaufhellendes Hormon. Gleichzeitig werden Stresshormone abgebaut. Wo wir hinschauen, entdecken wir Überraschendes und Vertrautes. Verschiedene Geräusche begleiten uns. Der Wechsel von Nah und Fern, von Dunkel und Hell erregt unsere Aufmerksamkeit und entspannt uns gleichzeitig. Bewegung auf unebenem Boden lockert körperliche Anspannungen. Wenn alle Sinne wechselnd angeregt aber nicht einseitig angespannt werden, kann eine inspirierende und kräftebildende Achtsamkeit entstehen, welche sich umfassend auf Wohlbefinden und Gesundheit auswirkt.

Natur vor dem Fenster

Natur tut auch gut, wenn wir sie durchs Fenster sehen. Studien in verschiedenen Ländern haben ergeben, dass Spitalpatienten schneller genesen, wenn sie aus dem Fenster in eine grüne Landschaft statt auf Häuser und Strassen sehen. In einer englischen Studie wurde zeigt, dass Gewalt in Wohnsiedlungen ohne direkt angrenzende Grünflächen erhöht ist. Arbeitsplätze mit Blick ins Grüne haben markant weniger Krankmeldungen als solche ohne solche Aussicht. Die Verbindung von verschiedenen Naturfarben und -formen, sanfte Bewegungen sowie die enge Verzahnung von Nähe und Ferne sind offensichtlich wirksam für unser Wohlbefinden.

Naturerfahrung prägt

Die grösste Wirkung hat der Aufenthalt in der Natur auf Kinder. Nicht umsonst fühlt sich die Mehrheit der Kinder von freier Natur angezogen. Bewegung und Spiel in der Natur verbessert die motorische Entwicklung und die räumliche Orientierung und sie schärft die Sinneswahrnehmungen. Dabei werden auch die Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Risikoabschätzung gefördert. Im Umgang mit lebenden Tieren und Pflanzen werden Empathie und Respekt ausgebildet und Gruppentätigkeit im Freien fördert die Sozialkompetenz und kann dominanzbetontes Verhalten dämpfen.

Schliesslich fördert der Kontakt mit Naturstoffen im Freien die Immunabwehr und damit die Gesundheit. Vergleichende Studien haben auch gezeigt, dass sportliche und spielerische Tätigkeit in Innenräumen (Turnhallen und Fitnesszentren) nicht annährend die gleiche Wirkung haben, wie wenn sie im Freien ausgeübt werden. So erstaunt es nicht, dass für die Behandlung von Leistungsschwächen und stressbedingten Krankheiten bei Kindern eine häufige Beschäftigung in der Natur empfohlen wird.

Inspiration statt Reizüberflutung

Beim Aufenthalt an Strassen oder in Innenräumen sind wir immer wieder Reizüberflutungen ausgesetzt, die paradoxerweise oft als langweilig empfunden wird. Dasselbe gilt für Arbeit oder Spiel am Bildschirm. Zur Kompensation dieser Stresssituation wird empfohlen, sich mindestens ebenso lange in der freien Natur aufzuhalten wie am Bildschirm. Dabei spielt die Art des Aufenthalts freilich eine wichtige Rolle: Fussballspiel, Joggen oder Biken ist wesentlich weniger wirksam als ein Spaziergang auf einem Pfad oder manuelle Arbeit im Wald.

Die Mehrheit der Kinder erbringen bessere Schulleistungen, wenn sie in naturreicher Umgebung lernen. Das Ganze hat allerdings einen Haken: Eine kleine Minderheit von Kindern ist aufgrund von frühkindlicher Prägung in der freien Natur angstbesetzt und kann wenig von den Chancen des Naturkontakts profitieren.

Arkadien?

In der Antike wurde Arkadien als idealisierte Landschaft beschrieben. Verschiedene Umfragen und Studien zeigen, dass die grosse Mehrheit der Menschen in verschiedenen Ländern eine ähnliche Vorstellung von einer Ideallandschaft haben. Diese zeichnet sich aus durch leicht hügelige Landschaftsformen mit geschwungenen Linien und weiter Sicht, durchsetzt mit verschiedenen Wasser- und Grünflächen. Als zentrales Element weist sie kleine Wälder und lockere Baumbestände mit alten Bäumen auf. Auf diese Weise vermittelt Landschaft Geborgenheit und Offenheit zugleich und regt die Neugier an.

Dagegen wird geschlossener und dunkler Wald als bedrohlich empfunden. Brachland mit hoher Durchmischung verschiedener Vegetation wird als Wildnis abgelehnt und gerade Linien mit weiten Feldern als technische Landschaft ebenso als unangenehm empfunden. Dieses Idealbild entspricht recht gut unseren artenreichsten Lebensräumen und beliebten Erholungsgebieten. Das gilt es im Umgang mit Naturschutz und Freizeitlenkung zu beachten.

Zum Weiterlesen:

  • Bundesamt für Naturschutz 2010: Naturschutz & Gesundheit. Allianzen für mehr Lebensqualität. – Konferenzdokumentation, Bonn 113 S.
  • Schertz, K. E., & Berman, M. G. (2019). Understanding Nature and Its Cognitive Benefits. – Current Directions in Psychological Science, 28(5), 496-502. https://doi.org/10.1177/0963721419854100
  • Spitzer M. 2020: Der positive Einfluss von Stadtnatur auf unsere Gesundheit. Übersicht wissenschaftlicher Untersuchungen. – Bund Naturschutz Bayern informiert: 76 S.